Hintergrund

OLG Entscheidung "Vernetzt und etabliert" Jörg Drews/Hentschke Bau GmbH und VVN-BdA Sachsen e.V.

24.10.2024

Im Berufungsverfahren um die Veröffentlichung des EFBI Policy Papers 2023-1: "Vernetzt und etabliert" zwischen Jörg Drews/Hentschke Bau GmbH und VVN-BdA Sachsen e.V. wurde am 22.10.2024 vor dem Oberlandesgericht Dresden das Urteil verkündet. Der Richter hob das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Dresden in weiten Teilen auf. In der folgenden Stellungnahme möchten wir, das Recherchekollektiv 15° Research, unsere Perspektive auf das Verfahren und die Urteilsverkündung darlegen.

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Überblick über das Verfahren

Jörg Drews und sein Unternehmen Hentschke Bau (vertreten durch die Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft aus Köln) hatten gegen weite Passagen unserer Recherche, die sich mit Drews politischem und gesellschaftlichem Engagement sowie dem Betriebsklima im Unternehmen Hentschke Bau auseinandersetzen, vor dem Landgericht geklagt. (1) Der Richter Dr. Stefan Dreher gab ihnen in seinem Urteil vom 05.04.2024 Recht.

Der Beklagte, der VVN-BdA Sachsen e. V., als Trägerverein unseres Rechercheprojekts vertreten durch den Ersten Sprecher Silvio Lang (vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Hoffmann von der Kanzlei Eisenbahnstraße Leipzig) legten dagegen Berufung ein. Durch die Einzahlung einer Sicherheitsleistung über 66.000 Euro Ende Juni 2024 konnten die Hentschke Bau GmbH und ihr Geschäftsführer Drews allerdings zunächst die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses zu diesem Zeitpunkt ja nicht rechtskräftigen Urteils erwirken.

In einer Pressemitteilung vom 28.06.2024 teilte Silvio Lang mit:

"Wir bitten (...) zur Kenntnis zu nehmen, dass wir (...) die Berichterstattung über Hentschke Bau und Drews nicht weiter veröffentlichen und verbreiten dürfen. Die nun ergriffenen Maßnahmen der Klägerseite machen deutlich, wie stark Hentschke Bau und der Geschäftsführer Drews bemüht sind, Kritiker*innen mundtot zu machen." (2)

Deshalb mussten wir alle (strittigen) Passagen aus dem Policy Paper von unserer Homepage entfernen, in denen Jörg Drews öffentliche Unterstützung (neu)rechter Akteure durch Beispiele illustriert wird.  Eine Zuwiderhandlung hätte den VVN-BdA Sachsen im Streitfall eine hohe Geldsumme gekostet.

Ein Bestandteil der juristischen Auseinandersetzung ist ein Absatz, in dem ein anonym auftretender ehemaliger Betriebsangehöriger im Interview mit uns, 15° Research, einen betriebsinternen Vorfall schildert, der zeigt wie das Betriebsklima durch rechte und rassistische Rhetorik in Teilen auch intern belastet "war".

In allen Punkten wurde nun am 08.10.2024 vor dem Oberlandesgericht neu verhandelt. Einer vorgeschlagenen außergerichtlichen Einigung widersprach die Klägerseite entschieden und beharrte auf einer Bestätigung des Urteils aus erster Instanz in allen Klagepunkten. (3)

Das von dem Vorsitzenden Richter des OLG Schlüter verkündete Urteil widersprach dem erstinstanzlichen Urteil des Richters des Landgerichts Stefan Drehers vom 05.04.2024 heute schließlich in wesentlichen Punkten.

Das vorliegende Urteil des OLG Dresden erklärt, die Darstellung der Geschehnisse im Pausenraum der Firma, dürfe weiterhin nicht verbreitet werden, weil durch den weitreichenden Schutz der Identität des anonymen Informanten durch den VVN-BdA die Zeugenaussage nicht ausreichend belegt sei. In allen anderen Punkten erklärte das Urteil allerdings die Berichterstattung für zulässig. Hierzu führt das Urteil aus:

„Die von dem Kläger behauptete und vom Landgericht angenommene verdeckte Tatsachenbehauptung oder eine bewusst unvollständige Berichterstattung lässt sich dem streitgegenständlichen Papier aus der maßgeblichen Sicht des verständigen Durchschnittslesers nämlich nicht entnehmen.“

Dem Vortrag des Prozessvertreters von Drews und Hentschke Bau widerspricht das Urteil:

„Sähe man dies anders, hätte es der Betroffene ansonsten in der Hand zu bestimmen, wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden will und was die Presse über ihn zu berichten hat, bevor sie zu einer wertenden Einschätzung über seine Person gelangt.“

Ein gutes Image lässt sich nicht erkaufen - unsere Perspektive auf das Verfahren und das Urteil

Jörg Drews steht als Unternehmer und Politiker in der Öffentlichkeit. Als Geschäftsführer der Hentschke Bau GmbH vertritt er diese nach außen. Er wirkt und wirkte u. a. durch Veröffentlichungen auf seiner Homepage, durch Spenden, Sponsoring und politisches Handeln und in seiner Funktion als Stadtrat für das Bürgerbündnis Bautzen in die Bautzener Stadtgesellschaft hinein - darüber kann und soll berichtet werden.

Drews muss nicht alles "gut" finden, was wir veröffentlichen oder veröffentlicht haben und kann das Recht auf juristische Prüfung, wie wir auch, nutzen. Eine (einseitige) Berichterstattung nach seinen Vorstellungen kann er sich aber weder erklagen noch von uns oder anderen verlangen.

Wir kritisieren die unverhältnismäßig hohe Bemessung des Streitwerts und die Einzahlung der Sicherheitsleistung von 66.000€ zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils vom Richter des Landgerichtes. Dieses Mittel sich Recht (vorläufig) zu erkaufen und Kritiker*innen einzuschüchtern, erinnert an die Methodik der SLAPP-Klagen. Diese werden gern von rechten Akteur*innen genutzt, um Kritiker*innen abzuschrecken. Unabhängig davon, wer am Ende Recht bekommt, ist oft entscheidender, wer den finanziellen Aufwand eines Verfahrens überhaupt stemmen kann. (4)

Kleine zivilgesellschaftliche Organisationen wie unser Trägerverein VVN-BdA Sachsen e. V. stellt das vor existenzielle finanzielle Belastungen. Nur durch die finanzielle Unterstützung der Prozess- und Anwaltskosten des Projektes "Frag den Staat" der Open Knowledge Foundation war dies für uns überhaupt möglich.

Im Policy Paper 2023-1: "Vernetzt und etabliert" werden verschiedene für die rechte Raumnahme bedeutende Zusammenhänge und Unternehmer*innen im Landkreis erwähnt.

Einige dieser Protagonist*innen haben Positionen in Politik, Wirtschaft, Kultur und/oder Sport und nutzen diesen Einfluss, um für ihre menschenverachtenden Ideen neue Personen zu rekrutieren. Durch menschenfeindliche Ansichten, Gewalt und/oder rechte Straftaten wird ein gesellschaftspolitisches Klima der Angst, Gefahren, Verharmlosungen erzeugt.

Jörg Drews und sein Unternehmen sind dabei nur ein Beispiel von Vielen. Ebenso wie alle anderen Rechercheergebnisse auch, sind alle Passagen über ihn von uns sorgfältig recherchiert und belegt - das bestätigt auch das heutige Urteil. Jörg Drews Versuche der Delegitimierung unserer Veröffentlichung weisen wir hiermit nochmalig entschieden zurück.

Die Schilderung zur betriebsinternen Szene im Pausenraum konnte ohne das persönliche Erscheinen des*der Zeug*in vor Gericht juristisch nicht verwertet werden. Wir akzeptieren und unterstützen den Wunsch nach Anonymität. Gerade das Verfahren zeigt - mutige Schilderungen wie diese scheinen eine berufliche Karriere "auf dem Bau" in der heutigen Zeit in Ostsachsen mehr denn je zu gefährden. 

Wir sehen uns durch das heutige Urteil des OLG Dresden bestätigt und bekräftigt unsere wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit fortzuführen und antidemokratische Akteur*innen und Zusammenhänge seit 1990 bis heute im Landkreis sichtbar zu machen. Meinungs- und Pressefreiheit sind dafür wichtige Grundlagen und Voraussetzungen ein demokratisches Miteinander. 

Drews Rechtsanwalt Brennecke bezeichnete am Verhandlungstermin am 08.10.2024 im Hinblick auf die mehrfachen Brandanschläge auf Hentschke Bau-Fahrzeuge unsere Veröffentlichung als einen „Brandbeschleuniger für Taten, die später zu erheblichen Schäden führten“. (3)

Diesen Bedrohungs- und Delegitimierungsversuch verurteilen wir aufs Schärfste - aber lassen uns davon nicht einschüchtern. Wir freuen uns, dass wir dabei so starke Verbündete an unserer Seite haben. Im Besonderen wollen wir unserem Trägerverein VVN-BdA Sachsen e.V. und der Open Knowledge Foundation mit ihrer Initiative "Frag den Staat" danken, deren finanzielle und organisatorische Unterstützung eine wichtige Grundlage für unserer Arbeit und das Verfahren darstellt(e).

Äusserst erfreulich ist es, dass das Urteil unter Bezugnahme auf die Europäische Richtline über missbräuchliche Gerichtsverfahren gegen öffentliche Beteiligung den Streitwert stark herabgesetzt hat. Diese Richtlinie, die sich gegen sogenannte SLAPP-Klagen richtet, also Klagen, die rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden, um missliebige Berichterstattung zu unterbinden, ist allerdings in Deutschland bislang noch nicht gesetzlich umgesetzt.

Das OLG schreibt hierzu:

„Eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 60.000,- € stünde schließlich auch außer Verhältnis zur Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerseite. Schließlich war der Grundgedanke von Art. 4 Nr. 3 RL EU 2024/1069 über missbräuchliche Gerichtsverfahren gegen öffentliche Beteiligung zu berücksichtigen, auch wenn diese Richtlinie bislang nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde.“

Ein klares Zeichen des OLG Dresden, das damit die Position von Journalist*innen und Rechercheprojekten stärkt.

Zuletzt aktualisiert am 24.10.2024