Hintergrund

Glorifizierung deutscher Wehrmachtssoldaten und Heldengedenken - Part I

25.11.2024

Am Sonntag, den 17.11. 2024 fand der Volkstrauertag statt. Seit 1952 wird dieser bundesweit zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen. Hatte er zunächst seinen Ursprung in der Weimarer Republik, als Gedenktag an die Toten des ersten Weltkriegs, hat sich seine Rezeption im letzten Jahrhundert stark verändert.

Heute begehen Neonazis an diesem Tag das sogenannte "Heldengedenken". Dieser Begriff wurde im deutschen Nationalsozialismus 1934 von Joseph Goebbels geprägt und beschreibt die Glorifizierung deutscher Wehrmachtssoldaten als vermeintliche "Kriegshelden" im zweiten Weltkrieg.

"Unsere Väter/(Ur-)Großväter waren keine Verbrecher und wir sind stolz auf sie" heißt es auf einem Transparent auf einer NPD Demo in Görlitz 1997 und so oder so ähnlich schallt jährlich an diesem Tag der rechtsextreme Tenor durch das gesamte Bundesgebiet. Bekannte Orte, in denen das rechtsextreme "Heldengedenken" in den letzten Jahrzehnten mit großen Aufmärschen zelebriert wurde, sind zum Beispiel die Kleinstadt Halbe in Brandenburg, Friedrichroda in Thüringen (1) und Wunsiedel in Bayern (2).

NPD Demo in Görlitz 1997_.jpg

Auch in Ostsachsen nutzen Neonazis verschiedene Soldatenfriedhöfe in der Region für ihre "Heldengedenken". Diese Veranstaltungen werden meist intern beworben und martialisch mit brennenden Fackelmärschen "gefeiert".  Mit Kranzniederlegungen und Redebeiträgen wird den sog. "vergessenen Helden" der Wehrmacht und des Nationalsozialismus gedacht. Fotos der Veranstaltungen werden im Anschluss oft verpixelt via Social Media geteilt. Dass die neonazistische "Heldenverehrung" meist mit einer Verharmlosung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen einhergeht, zeigt sich an den Sprüchen auf den Schleifen an Kränzen, die von rechtsextremen Gruppen und sog. "Kameradschaften" niedergelegt wurden.

Dokumentierte Beispiele aus der Region:

  • „Danke für Eure Tapferkeit – Aktionsgruppe Zittau“ (14.11.2021 in Hainewalde, Friedhof)

  • "Tot und doch unvergessen - Schlesische Jungs Niesky" (19.11.2023 in Jänkendorf, Soldatenfriedhof)

  • „In stillem Gedenken den Gefallenen für Volk und Vaterland – Die treue deutsche Jugend“ (17.11.2024 in Görlitz, Stadtfriedhof)

  • „Den deutschen Soldaten in stillem Gedenken – Kameradschaft Niederschlesien“ (17.11.2024 in Kunnersdorf, Friedhof)

  • "Wir gedenken unseren Helden - Treue Deutsche Jugend" (17.11.2024 in Göda, Friedhof)

Meldungen über neonazistische "Heldengedenken" an verschiedenen Orten in Ostsachsen

Göda (LK Bautzen)

In Göda bei Bautzen wurde, wie nun schon seit vielen Jahren, zu den Kränzen eine Marmortafel mit der Aufschrift "Des Soldaten EHRE ist seine TREUE - HIAG" niedergelegt. HIAG steht dabei für "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS e.V.". Dieser Verein wurde 1951 gegründet und 1992 aufgelöst, regionale Organisationen existieren aber bis heute weiter. Erklärtes Ziel war die Rehabilitierung der Angehörigen der Waffen-SS und ihrer Kriegsverbrechen in Gesellschaft und Justiz. Erheblichen Einfluss hatte der Verein im Netzwerk der Soldaten- und Traditionsverbände. Die HIAG setzte sich für inhaftierte Kriegsverbrecher ein und übernahm auch die Betreuung von verurteilten SS-Angehörigen, die zum Beispiel im KZ Mauthausen gemordet haben. (3)

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Niesky/Jänkendorf

Auch in diesem Jahr kam es zum wiederholten Mal zum "Heldengedenken" auf dem Soldatenfriedhof Jänkendorf. Der intern geteilten Einladung der Kameradschaft "Schlesische Jungs" aus Niesky folgend trafen um 16.00 Uhr ca. 30 Neonazis am Treffpunkt neben dem Bahnhof Niesky ein. Im dort liegenden Objekt fanden in der Vergangenheit regelmäßig Veranstaltungen und Rechtsrockkonzerte statt. Neben einigen Personen außerhalb des Landkreises, war auch der Nieskyer AfD-Stadtrat Thomas Christgen unter den Teilnehmer*innen. Er nahm auch an der völkischen Sommersonnenwendfeier in Strahwalde teil. Nach einem kurzem Aufenthalt im Objekt wurde gegen 16.45 Uhr mit einer PKW-Kolonne zum Soldatenfriedhof nach Jänkendorf gefahren. Bei verregnetem Wetter wurde in Zweierreihen mit Fackeln zum Friedhof gelaufen und ein Gesteck abgelegt. Die Veranstaltung endete gegen 18 Uhr.

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Görlitz

Auch Neonazis um den rechtsextremen Bautzner Kreistagsabgeordneten Benjamin Moses (4) zelebrierten wieder eines ihrer regelmäßigen Gedenken im Landkreis Görlitz. Nachdem sie letztes Jahr den Soldatenfriedhof am Schloss Königshain heimsuchten, fand in diesem Jahr die Veranstaltung auf dem Görlitzer Stadtfriedhof statt. 

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AfD Oberlausitz

Die Junge Alternative Oberlausitz lud zu Kranzniederlegungen in Bautzen und Löbau ein. Nicht verwunderlich ist, dass sich auch Sebastian Wippel (AfD Görlitz) in seinen Social-Media-Kanälen zu diesem Tag äußerte. Sein Ton ist dem der anderen Nazis nicht unähnlich, auch er spielt auf eine Umdeutung des Volkstrauertags an:

"Es ist beschämend, dass das Gedenken an unsere eigenen Toten - an Männer, Frauen und Kinder, die durch Krieg und Vertreibung ihr Leben verloren - kaum noch Platz hat. Die Schicksale deutscher Soldaten, die mit Mut und Opferbereitschaft kämpften und oft elendig verreckt sind, sowie auch die unschuldigen Opfer der Bombennächte solcher Städte wie Dresden oder Hamburg werden nur noch beiläufig erwähnt."

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Fazit

Am Volkstrauertag stattfindende  "Heldengedenken" dienen zur Verherrlichung und Relativierung der Verbrechen der Wehrmacht und der Waffen-SS. Nationalsozialistische Begriffe werden wieder in den alltäglichen Sprachgebrauch integriert und salonfähig gemacht.

So wurde am diesjährigen Volkstrauertag von der Gruppe "Zittau mit Zukunft" ein Video zu dem hochrrangigen SS-Mann Max Wünsche auf der Plattform youtube hochgeladen. Eine Analyse des Videos werden wir in Part 2 des Artikels veröffentlichen.

Zuletzt aktualisiert am 26.11.2024