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Rechte Macher*innen – Sebastian Wippel

Anhand einiger Beispiele aus den sozialen Medien und vor allem seiner Landtagsanfragen wollen wir hier aufzeigen, wie Wippels Wortwahl zunehmend rassistischer wurde. Sebastian Wippel wurde 1982 in Görlitz geboren. Schon in seiner Jugend ist er durch seine rechtsoffene Haltung bei einigen ehemaligen Schüler*innen im damaligen Joliot-Curie-Gymnasium (*) negativ aufgefallen. Dazu muss angemerkt werden, dass die Menschen aus seinem einstmaligen Umfeld anonym bleiben und sich nicht in der Öffentlichkeit äußern wollen.

Der fast Vierzigjährige arbeitet seit acht Jahren als Abgeordneter für die AfD im Sächsischen Landtag. Zudem sitzt er aktuell im Görlitzer Stadtrat, sowie im Kreistag des Landkreises Görlitz, in denen die AfD jeweils die stärkste Fraktion bildet. Wippel diente von 2001 bis 2003 in der Bundeswehr und ist Leutnant der Reserve. Zu den Umstrukturierungen der Bundeswehr veröffentlichte er in einem Kommentar: „Ich habe in Osterode im Harz in der GFM Rommel Kaserne gedient. Es tat mir gut und Rommel war ein Vorbild an soldatischer Haltung, Fairness im grausamen Krieg und taktischen Geschick“ (1)– Hinweis: Im März 2018 hatte die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen neuen Traditionserlass für die Bundeswehr in Kraft gesetzt. Dem gingen intensive Diskussionen in den Streitkräften, in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit voraus. Anstoß hierzu war nicht zuletzt der Terrorismusverdacht gegen einen mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehroffizier. Der Fall löste Anfang 2017 eine Debatte um den Umgang mit rechtsextremen Vorfällen und Wehrmachtserinnerungen innerhalb der Bundeswehr aus.

Von 2003 bis 2004 studierte er Betriebswirtschaftslehre an der TU Chemnitz und von 2004 bis 2007 setzte er nach eigenen Angaben sein Studium der Verwaltungswissenschaften an der Polizeiakademie Niedersachsen in Hannoversch Münden fort. Er schloss dies als Diplom-Verwaltungswirt (FH) und mit der Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ab. Laut seinen Angaben war er von 2007 bis 2012 Polizeikommissar in Niedersachsen. (2)

Sebastian Wippels politische Laufbahn

Als Politiker begann er scheinbar 2011 in Ederwecht in Niedersachsen. Dort wurde er für die Kommunalwahl unter dem Motto „Liberale Politik in Edewecht verwirklichen“ auf der Liste der FDP aufgestellt. (3)
2012 war er Vorstandsmitglied und Schriftführer der dortigen FDP. Im selben Jahr wechselte der Polizeikommissar und stellvertretende Dienstgruppenführer nach Görlitz. Dort war er Mitglied der Arbeitsgruppe „Innere Sicherheit“, die unter anderem die „Überwachung des Telekommunikationsverkehrs zur Gefahrenabwehr“, ein „beschleunigtes Asylverfahren mit einspruchslosem Ergebnis“ und die „Einführung des Kriteriums ‚deutschen feindliche Straftat‘“ sowie die Erfassung des Migrationshintergrundes nach Herkunftsland in der Polizeilichen Kriminalstatistik diskutierte. Im April 2013 gründete sich die AfD. Wippel trat der AfD bei, seine Mitgliedsnummer 216 lässt darauf schließen, dass er zu einem Mitglied der ersten Stunde gehört. (4)

Ein Jahr später, im August 2014, zog er auf Listenplatz 8 der AfD mit 14 Sitzen (9,7 %) erstmals in den Landtag von Sachsen ein. (5) Wippel ist Gründungsmitglied des Vereins „Verein für ein extremismusfreies Sachsen e.V.“, der sich im März 2018 konstituierte .(6) Außerdem ist er einer der Beisitzer der AfD-nahen Desiderius Erasmus-Stiftung. Diese ist dafür bekannt, dass ihre Mitglieder seit vielen Jahren in der Neuen Rechten vernetzt und organisiert sind. (7)

Bei der Landtagswahl im September 2019 zog Wippel mit der AfD auf Listenplatz 5 erneut in den sächsischen Landtag und holte mit 37,8 % Direktstimmen den 2. Platz hinter dem CDU-Kandidaten mit 45% in der Stadt Görlitz. Zu den zeitgleich stattfindenden Stadtratswahlen 2019 erhielt die AfD mit 17.186 Stimmen einen Prozentanteil von 30,8 und zog mit 13 Abgeordneten in den Stadtrat ein. (8)

Die Oberbürgermeister*innen-Wahl 2019 in Görlitz

Nationale und internationale Aufmerksamkeit erlangte Wippel bei der Oberbürgermeister*innen-Wahl im Juni 2019 in Görlitz. Gegen seine Wahl liefen prominente Filmschaffende aus dem In- und Ausland mit einem offenen Brief Sturm. „Gebt euch nicht Hass und Feindseligkeit, Zwietracht und Ausgrenzung hin.“ forderten die Unterzeichner*innen des Briefes die Bewohner*innen von Görlitz auf. Damit sollte unter anderem die Wahl des ersten AfD-Oberbürgermeisters verhindert werden. (9) (10)
Sebastian Wippel erreichte in der ersten Wahlrunde mit 36,4 % den höchsten Stimmenanteil unter den vier Bewerber*innen und zog dadurch in die Stichwahl gegen den CDU-Kandiaten Octavian Ursu ein, der 30,3 % erreichte. In der Stichwahl unterlag Wippel mit 44,8 % gegenüber Ursu mit 55,2 % und wurde somit nicht Bürgermeister der Stadt Görlitz. Der parteiübergreifende Aufruf CDU zu wählen, um einen AfD-Kandidaten zu verhindern, könnte sich nun bei der bevorstehenden Landratswahl wiederholen. (wir vermuteten das schon in unserem Beitrag vom 30.09.2021)

Die Wortwahl verschärft sich – Rechte Rhetorik und Narrative

2015 kam es zu massiven Ausschreitungen und Anfeindungen gegenüber Geflüchteten. Über Wochen fanden im Landkreis Görlitz rassistische Demonstrationen und Übergriffe auf asylsuchende Menschen statt (siehe Chronik 2015 -15°Research). Aufrufen der rassistischen Initiative „Görlitz wehrt sich“, beispielsweise unter dem Motto „Gegen Krieg, Terror und Gewalt, Grenzen sichern Für unser Land – Görlitz wehrt sich“, folgten im Sommer und Herbst 2015 teils bis zu 3000 Menschen. Bei den Demonstrationen beteiligte sich neben organisierten Rechtsextremen und der AfD auch Sebastian Wippel wie selbstverständlich mit Infoständen und Redebeiträgen. (12) Zusätzlich reproduzierte und verschärfte Wippel mit seinen Anfragen und politischen Reden diese rassistischen Narrative.

In seiner Anfrage zur Aufnahme oder Unterbringung von Geflüchteten vom 04.06.2015 setzte er die Unwirtschaftlichkeit des Student*innenwohnheims „Am Hirschwinkel“ mit den Notsituationen der ankommenden Geflüchteten in Görlitz in einen Kontext:
„Ist vorgesehen, das Studentenheim nach der „plötzlichen“ Räumung, sofort in eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung (…) für Asylanten umzuwandeln? Wenn ja: Wie viele weitere Asylanten werden in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht und wie viele Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Görlitz wird es ab dem Zeitpunkt insgesamt geben?“ (11)

Der Verwaltungsrat des Studentenwerks Dresden hatte bereits 2011 beschlossen, das Wohnheim „Am Hirschwinkel“ an den Freistaat Sachsen zurückzugeben, wenn der wirtschaftliche Betrieb nicht mehr gewährleistet werden kann. Der Jahresabschluss 2014 hatte ergeben, dass wegen des hohen Leerstands in den beiden Görlitzer Wohnheimen ein finanzielles Defizit entstanden war. Dies veranlasste das Studentenwerk im Frühjahr 2015 dazu, mit dem Freistaat Gespräche über die Rückgabe des Hauses zu führen. In diesem Zusammenhang erwog der Freistaat scheinbar, das nicht ausgelastete Wohnheim umzunutzen. Die Anfrage Wippels suggerierte eine „plötzliche Räumung“ des Student*innen-Wohnheims und somit eine Notsituation der betroffenen Studierenden. Die Notwendigkeit, Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen, wurde dabei vollkommen und absichtlich ausgeblendet. Die plötzliche Räumung, die angeblich sofortige Errichtung einer „weiteren Erstaufnahmeeinrichtung“ und die Aufnahme von „Asylanten“ wurde als „Gefahrenlage“ für die derzeitig dort wohnenden Student*innen inszeniert und in den Fokus gestellt.

Rassismus als generationsübergreifendes Problem

Schon 25 Jahre zuvor hatten in der politischen Debatte Menschen darauf hingewiesen, wie schwer es sein könnte für Menschen anderer Herkunft, Religion, die den Kriegen in ihren Herkunftsländern entfliehen konnten, in Deutschland sicher anzukommen. Rassistische Ausschreitungen fanden ihre schrecklichen Höhepunkte in Rostock, Mölln, Hoyerswerda und vielen anderen Orten in den Neunzigern. Als eine der möglichen Analyse der Ausschreitungen weist Timur Mukazhanov in seiner Dissertation von 2004 auf das “Manifest der 60 – Deutschland und die Einwanderung” hin, das 1993 von 60 Wissenschaftler*innen veröffentlicht wurde. Zitat aus dieser Dissertation: „Anfang der 1990er Jahre folgten die Konsequenzen: ‚unten‘ wuchs die Angst vor den Fremden und ‚oben‘ die Angst vor den Bürgern als Wählern. Fremdenangst, gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindliche Gewaltakzeptanz nach der deutschen Wiedervereinigung waren nach alledem ‚nicht etwa nur unvermeidbare Folgen von Einwanderung und Eingliederung, sondern auch vermeidbare Folgen ihrer mangelnden politischen Gestaltung‘: Sie waren auch ‚eine aggressive Antwort auf fehlende Konzepte in der Migrationspolitik‘.“ (13)

Am 6. Dezember 1992 beschloss der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU, CSU, FDP und SPD den Asylkompromiss. Diese Gesetzesänderung wurde mit 521 gegen 132 Stimmen verabschiedet. Am 1. Juli 1993 trat sie in Kraft. Durch die Änderung des Grundgesetzes (jetzt Art.16a GG) und des Asylverfahrensgesetzes wurde das individuelle Grundrecht auf Asyl stark eingeschränkt. Seitdem können Asylsuchende ohne Anhörung zurückgewiesen werden, wenn sie aus einem sogenannten „Sicheren Drittstaat“ oder einem „Sicheren Herkunftsstaat“ einreisen. Da alle Nachbarländer Deutschlands als sichere Drittstaaten gelten, war und ist es für Asylsuchende praktisch nicht mehr möglich, auf dem Landweg einzureisen.

„(Unsere) Sprache ist verräterisch. Es waren Politikerinnen und Politiker, die die Begriffe von Scheinasylanten, von Flüchtlingsströmen, vom Asylmissbrauch, von asylfreien Zonen, von Durchmischung und Durchrassung und das schlimme Wort vom Staatsnotstand in die Debatte brachten, und solche Worte zeigen Wirkung. All jene, die in der beschriebenen Art und Weise die Asyldebatte führten und führen, haben an rassistischen und ausländerfeindlichen Pogromen als intellektuelle Urheber ihren Anteil.“ (14)

Rassismus und Ressentiments fördern

Sebastian Wippel unterhält Accounts in Sozialen Netzwerken wie Facebook, Telegramm und YouTube, aus denen wir hier ausschnittsweise zitieren wollen. Seine Flyer und Interviews beinhalten immer die gleichen rassistischen Muster. Die stereotype Darstellung der „Anderen“ als von „außen“ kommende (Menschen-) Masse und lose hergestellte Bezüge zu Kriminalität sollen Angst schüren. Die Bezeichnung von Migrationsbewegungen als „Überflutung“ macht aus gesellschaftlichen Veränderungen Bedrohungszenarien, in denen es scheinbar keine Möglichkeit zur politischen Teilhabe gibt. Wie beispielsweise in einem Post auf Facebook vom 29.07.2020 – Sebastian Wippel: „Deutschland steht vor einem historischen beispiellosen sozio-kulturellen Umbruch. Jahrzehnte der Masseneinwanderung haben die über Jahrhunderte gewachsene Bevölkerungsstrukturen aufgebrochen. Die urdeutsche Bevölkerung wird in immer größeren Teilen des Landes zu einer Minderheit unter Minderheiten“ (15)

„Hier arbeiten Rechtspopulisten in ihren Kampagnen beständig mit metaphernreichen Schilderungen von ‚Masseninvasion‘ und ‚Horden‘, die ‚deutschen Boden‘ und die zugehörigen Menschen ‚überrollen‘. Auf diese Weise wird der Eindruck geweckt, das Eigene würde allein schon quantitativ von Neuankömmlingen bedrängt und in den Status einer Minderheit versetzt. Insbesondere Bilder der Flüchtlingskrise 2015, die zahlreiche Menschen auf Flüchtlingsrouten und in überfüllten Bussen zeigen, sind der Einschätzung dienlich, Deutschland würde mit Fremden regelrecht ‚überschwemmt‘.“ (16)

Die Ausgrenzungsmechanismen ziehen sich fast durch seine ganze Öffentlichkeitsarbeit.

  • „Statt die halbe Welt nach Deutschland einzuladen, sollte sich die Regierung darauf konzentrieren, vor Ort in den Krisenregionen zu helfen. Wer dagegen nur über Integration spricht, aktzeptiert eine grundfalsche Politik der Fehlanreize zur Masseneinwanderung.“ (17)
  • Während des Zuckerfestes am 18. Juni 2018 in Görlitz organisierte die rassistische Initiative „Görlitz bewegt sich“ eine Gegenveranstaltung. Sebastian Wippel verteilte dabei unter anderem dabei Flyer mit der Aufschrift „Syrien vermisst euch“. (18)
  • „AfD Anfrage enthüllt: Ausländer greifen schneller zum Messer!“ (19)
  • „Die größte Abschiebehaft-Anstalt in Holland bietet so viele Plätze wie alle Anstalten in Deutschland zusammen.“ (20)
  • „Asyl Catering vier Mal teurer als Hartz-IV-Verpflegung“ (21)
  • „Clans zocken Sozialstaat ab – allein Syrer sorgen für Milionenschaden!“ (22)
  • „Jetzt haben wir aber eine ganz andere Situation. Jetzt kommen überwiegend keine Glücksritter, sondern es kommen Leute, die haben Angst, dass sie entweder als menschliches Schutzschild verwendet werden, von welcher Seite auch immer, oder dass ihnen im Krieg eine Bombe auf den Kopf fällt. (…) Auch 2015 ist ja angeschoben worden, dadurch, dass übers Welternährungsprogramm die Hilfeleistungen in der Türkei eigentlich nicht mehr stattfinden konnten. Dann ham sich die Syrer aus der Türkei sich unter anderem auf den Weg gemacht und alle anderen haben gesehen, ah, Syrer werden durchgewunken, ah, da bin ich jetzt auch ein Syrer, ich seh ja so ähnlich aus, das wissen die dort eh nie.“ (23)

Der AFD-Wahlkampfabschluss 2019 in Görlitz

Zum Wahlkampfabschluss der Landtagswahl am 31. August 2019 fand eine Kundgebung der AfD auf dem Görlitzer Marienplatz statt. Vor dieser Versammlung wurde eine Veranstaltung der rechtsextremen Intiative „Görlitz wehrt sich“ (erstmals 2015 als „Görlitz bewegt sich“) mit anschließender Demonstration durch Görlitz durchgeführt. Diese Veranstaltung wurde unter dem Motto „Gemeinsam holen wir Deutschland zurück“ u.a. von Ignath Bearth (Schweizer Neonazi) initiiert. Auch der bekannte Rechtsextreme Sven Liebig (Neonazi aus Halle) nahm teil.

Einige Teilnehmende reihten sich in die anschließende AfD Veranstaltung ein, unter anderem eben Ignath Bearth. Aber auch Tobias Schulz (Neonazi aus Görlitz) war anwesend.

Wippels sagte auf dem Wahlkampfabschluss vor ca. 500 Teilnehmer*innen fast wörtlich:
 „Wie hat es sich es im Zehn-Jahres-Vergleich in Sachsen mit der Inneren Sicherheit entwickelt, der Ausländeranteil bei den Tatverdächtigen bei Vergewaltigung ist um 25 Prozentpunkte gestiegen auf deutlich über 33 Prozent. Bei der schweren Körperverletzung ist er um 28 % gestiegen, die Raubstraftaten ham sich um das zweieinhalbfache erhöht und die Gewaltkriminalität insbesondere Messerkriminalität hat zugenommen und das mit den Messern das gab es vorneweg eigentlich gar nicht.“ „Unsere Kirchen finanzieren nützlich Idioten, die unter dem Deckmantel der Seenotrettung diese organisierte Kriminalität auch noch unterstützen, und wer das Verfahren überlebt und übers Mittelmeer kommt, der kann hier dann mit dem Eintritt nach Deutschland mit einer lebenslangen Vollalimentation rechnen von all denjenigen, die hier leben und arbeiten und seit Jahren ihre Steuern bezahlen. Und wer das ganze kritisiert, so kann man zusammenfassen, ist ein Nazi ist doch ganz einfach“ (verhaltener Beifall) (…) Ich mach Ihnen ein Beispiel: Ein unbegleiteterminderjähriger Ausländer kostet den sächsischen Steuerzahler im Monat ungefähr 6000 €, was könnte man mit 6000€ pro Person denn anfangen, da kann man natürlich die Rentner unterstützen, wir könnten auch Alleinerziehende unterstützen, all diejenigen die unsere Hilfe nötig haben. Und wir haben in Sachsen Anfang des Jahres 882 Personen gehabt, sie brauchen jetzt nicht anfangen zu rechnen – es sind 63.Mio Euro, die uns dieser Spaß jedes Jahr kostet“.(…) (24)

Deutsche begehen Straftaten, „Ausländer“ hingegen „Messerkriminalität“. Deutsche Alleinerziehende werden „unterstützt“, „Ausländer“ erhalten „lebenslange Vollalimentation“. Die Verwendung anderer Begrifflichkeiten für bestimmte Gruppen kann diese Worte über die eigentliche Bedeutung hinaus mit zusätzlichem rassistischem Gehalt aufladen. Einem so konstruierten Anderen, personifiziert durch den „unbegleiteten minderjährigen Ausländer“, der dem „sächsischen Steuerzahler“ gegenübersteht, schreibt er schlussendlich die Verantwortung für mögliche Finanzierungslücken im Sozialsystem für Alleinerziehende und Rentner*innen zu.


„Praktische Nützlichkeit“ in seinen Landtagsanfragen und Zuschreibungen in „Ausländische“ und „Deutsche“

Quelle: Screenshots Social Kanäle Sebastian Wippel


Neben seinen Flyern und Reden stellt(e) er viele Anfragen im Sächsischen Landtag. In denen konnten wir genau die gleichen rassistischen Muster wie in den oben im Artikel aufgeführten Beispiele erkennen. Wenn wir seine „Kleinen Anfragen“ (KlAnfr) genauer analysieren, sehen wir eine Zunahme der Kategorisierung „ausländisch“ und „deutsch“ im Verlauf der Zeit. 
Bis zum heutigen Zeitpunkt (Stand des Artikels) beschäftigte Sebastian Wippel die Landesregierungen in den zwei Wahlperioden mit 1223 „Kleinen Anfragen“. Davon 843 KlAnfr in der 6. Wahlperiode (29.09.2014- 30.09.2019) und 380 KlAnfr 7. Wahlperiode (01.10.2019 – Stand des Artikel). In diesen Auskunftsersuchen geht es oft um Polizeiarbeit. Dabei fragt er unter anderem regelmäßig Überstunden, Einsatzfähigkeit, Fortbildung und z.B. gemeinsame Streifen der Sächsischen Polizist*innen (grenzüberschreitend) ab. Andere regelmäßige Anfragen beziehen sich auf den Drogenkonsum, Sachbeschädigung durch Graffiti und andere Delikte.

Erst ein Leck in der eigenen Truppe brachte ans Licht, wie weit rechts Wippel steht. Die Programmthesen der Arbeitsgruppe „Innere Sicherheit“ (siehe oben) waren ins Internet gestellt worden. Darin wird die „Überwachung des Telekommunikationsverkehrs zur Gefahrenabwehr“ verlangt, ein „beschleunigtes Asylverfahren mit einspruchslosem Ergebnis“, die „Einführung des Kriteriums ,deutschenfeindliche Straftat‘ sowie die Erfassung des Migrationshintergrundes nach Herkunftsland in der ,Polizeilichen Kriminalstatistik‘.“ (4)

Eine dieser „Kriterien“ zeigt sich auch in seiner aktuellen Anfrage zum Thema: Straftaten mit Waffen, Messern und gefährlichen Gegenständen 2. Halbjahr 2021 in Sachsen als ein Beispiel von vielen seiner Anfragen: „Wie viele von welchen Delikten wurden in Sachsen im 2. Halbjahr 2021 von Tatverdächtigen/Beschuldigten mit dem Tatmittel (nach Katalogfeld) „Hiebwaffe“, „Stichwaffe“, „Schusswaffe“, „Waffe“ (ohne nähere Beschreibung) begangen? (Bitte für jede Waffe angeben, wie viele Tatverdächtige „Deutsch“ oder Nichtdeutsch“ sind und aufschlüsseln nach Landkreisen und Kreisfreien Städten.“ (Vgl. Drs 6/14381 Frage 2. Thema: Straftaten). (26)

Aus seiner Anfrage „Wie viele von welchen Delikten (…) wurden begangen“ – möchte er vermutlich eine Übersicht der „tatsächlichen“ Entwicklung der Straftaten und Deliktsformen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Solche Anfragen sind durchaus legitim, um gesellschaftliche Analysen zuzulassen, Politik und Wissenschaft Teilhabe zu ermöglichen sowie Polizeiarbeit und Präventionsmaßnahmen weiterzuentwickeln.

In denen von Wippel als Landespolitiker gestellten und von uns ausgewerteten Anfragen hingegen finden wir  jedoch nur rassistische „Merkmale“, die von ihm regelmäßig abgefragt werden.
Um dies zu zeigen, haben wir die Kleinen Anfragen, nach bestimmten Begriffen gefiltert z.B. Asyl, Ausländer, Ausreise, Abschiebung, Passbetrug, Sozialleistungsbetrug, Schleuser, Straftaten, Straßenkriminalität und deren Verwendung als Anhaltspunkt herangezogen. Es geht hier dem Abgeordneten um die Unterteilung in „Deutscher“ und „Nichtdeutscher“ und nicht um die Unterscheidung der Kriminalitätsformen.

Bei den Anfragen zum Sozialleistungsbetrug ging es Ihm um die „Kriminellen Handlungen“. Die erfragte er nur für die Kategorien: Asylbewerber*innen, anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge, subsidiär Schutzbedürftige und Geduldete. Hier stellten wir fest, dass es keine Anfrage im Sinne des Betruges und der Strafbarkeit im allgemeinen Sinne des § 263 StGB Betrug gab, sondern scheinbar nur der „Passbetrug“ der vermeintlich zugeschriebenen Gruppen existiere.

Bei jeder Abfrage zu dem Thema „Straftaten“ konnten wir denselben Passus erkennen: „Welchen Aufenthaltsstatus hatten die Tatverdächtigen und welchen die Geschädigten bzw. Opfer?“ Wir zitieren hier aus einer der Anfragen Quelle: Drs.-Nr.: 7/2385 als Beispiel: „Frage 1 Wie viele Diebstähle unter erschwerenden Umständen, Körperverletzungsdelikte, Sexualdelikte und Tötungsdelikte wurden zwischen dem 06. und 08. März 2020 in Sachsen begangen? (Bitte aufschlüsseln nach Gemeinde und Delikt!) Frage 2 Welchen Aufenthaltsstatus hatten die Tatverdächtigen und welchen die Geschädigten bzw. Opfer? (Bitte aufschlüsseln nach Fällen aus Frage 1!“)

Unter dem Begriff des Aufenthaltstatus in seinen Anfragen gehen wir hier nicht unbedingt von der „Unterteilung“ in WIR und die ANDEREN aus. Jedoch liegt es bei ihm sehr nah, welche Intention dahinter liegt. In einem Artikel zum Begriff Aufenthaltsstatus finden wir auf Wikipedia folgendes: „Der Begriff des Aufenthaltsstatus steht nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit einer fremden Staatsangehörigkeit. Bei unbekannten Personen ohne Ausweispapiere kann die Frage des Aufenthaltsstatus auch bei Inländern auftreten (z.B. bei der Einreise ins Bundesgebiet und beim Aufgriff auf der Straße, ohne dass sich die Person ausweisen kann). Desweiteren bietet die Bundeszentrale für politsche Bildung eine Übersicht und Erklärung zum Aufenthaltsstatus – Schutzstatus in Zahlen. (27)

Auswertung

Für alle Kleinen Anfragen haben wir die Quellen des Sächsischen Landtages genutzt. (28) In diesem Zusammenhang analysierten wir 1223 von Wippel gestellten Kleinen Anfragen im Zeitraum vom 29. September 2014 bis heute (Stichtag des Artikels) und werteten diese mit den von uns herangeführten „Begrifflichkeiten“ aus. Wir beobachteten für unseren Artikel nur ausschnittweise die Kanäle der sozialen Medien und seine Websiten.

Hier sehen wir jedoch die „praktische Nützlichkeit“, Resentiments zu fördern und vor allem auch das Narrativ vom „kriminellen Ausländer“ fortzuschreiben und somit das Wahlklientel der AfD zu bedienen. In den von uns ausgewerteten Anfragen kamen wir auf eine enorme prozentuale Steigerung dieser Anfragen. Waren es in der 6. Wahlperiode „nur“ 42 % der gestellten (369 von 860) Kleine Anfragen im Zusammenhang mit den von uns herangeführten Begrifflichkeiten und Unterscheidungsformen, fanden wir in der 7. Wahlperiode 62 % (238 von 380) der Kleine Anfragen mit den von uns herangeführten Anhaltspunkten.

Seine aktuelle Homepage für seine Kandidatur zur Landratswahl beinhaltet nicht eines von seinen politisch rassistischen Narrativen, die er seit Jahren bedient. Sehen wir hier eine menschliche Läuterung oder handelt es sich um politisches Kalkül?

Demokratieverständnis, Miteinander und Toleranz zu fördern und rassistische Muster aufzuklären und aufzuzeigen, sehen wir als notwendige Aufgabe. Neben den „klassischen Neonazis“ gibt es seit vielen Jahren Personen und demokratisch gewählte Parteien, die das Miteinander und die Chancen der Mitgestaltung von demokratischen Prozessen gefährden. Einer dieser wichtigen Akteure ist AfD-Landratskandidat Sebastian Wippel.

(*) (Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es Augustum Gymnasium, wir bitten den Fehler zu entschuldigen)

Quellen:

  1. Screenshot Facebook Sebastian Wippel – Eintrag vom 15. Mai 2017
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Wippel
  3. Nordwest Zeitung vom 14.05.2012
  4. https://www.spiegel.de/politik/obenauf-und-unten-durch-a-10395c23-00 vom 21.09.2014
  5. https://www.kreis-goerlitz.de/Veranstaltungen/Kulturelle-Veranstaltungen.htm/Seiten/Aktuelle-Wahlergebnisse-der- Landtagswahl-31-August-2014.html
  6. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/extremismus-aufklaerung-afd- schulen-bildungsarbeit-sachsen-carsten-huetter/komplettansicht
  7. https://fragdenstaat.de/dossier/desiderius-erasmus-stiftung/
  8. Stadtwahlausschuss Gemeinderatswahl vom 27.05.2019 & Ergebnisse der Landtagswahl 2019: Direktstimmenanteile im Freistaat Sachsen
  9. https://www.dw.com/de/hollywood-vs-afd-showdown-bei-b %C3%BCrgermeisterwahl-in-g %C3%B6rlitz/a-49105959 – abgerufen am 15.04.2022
  10. https://www.luzernerzeitung.ch/international/goerlitz-wird-sebastian-wippel-erster-afd- buergermeister-ld.1126785– abgerufen am 15.04.2022
  11. Kleine Anfrage 6/Drs/1815
  12. Soziale Medien https://www.youtube.com/watch?v=H4cdy1frEis
  13. https://freidok.uni-freiburg.de/dnb/download/1347
  14. Vgl. Redebeitrag des Abgeordneten Gregor Gysi (PDS) in der Bundestagsdebatte vom 26. Mai 1993 über die Reformierung des Asylrechtes, in: Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, 160. Sitzung, Bonn 26. Mai 1993
  15. Screenshot Facebook Sebastian Wippel – Eintrag vom29.07.2020
  16. Seite 4 – ‚Islamisierung des Abendlandes‘. Zur Struktur der Angst vor dem Islam als mobilisierende Emotion im Rechtspopulismus von Aletta Diefenbach/Christian von Scheve)
  17. Screenshot Facebook Sebastian Wippel 25.05.2016
  18. https://www.der-rechte-rand.de/archive/7909/desiderius-erasmus-stiftung-kaderschmiede/
  19. Screenshot Facebook Sebastian Wippel – Eintrag vom 20. August 2018
  20. Screenshot Facebook Sebastian Wippel – Eintrag vom 27. März 2018
  21. Screenshot Facebook Sebastian Wippel – Eintrag vom 05. Februar 2020
  22. Screenshot Facebook Sebastian Wippel – Eintrag vom 03. Februar 2022
  23. You Tube Kanal – aus dem Interview Der Sofatalk Ostsachsen TV vom 22.04.2022 – abgerufen am 25.04.2022
  24. https://www.youtube.com/watch?v=wq1yPfHaIck – abgerufen am 15.04.2022
  25. Robert Miles in seinem Buch Rassismus – Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs von 1991.
  26. Kleine Anfrage Drs.-Nr.: 7/8816
  27. https://de.wikipedia.org/wiki/Aufenthaltsstatus_(Deutschland)#cite_note-1) und https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in- deutschland/268959/aufenthaltsstatus-schutzstatus/
  28. https://edas.landtag.sachsen.de/ – Parlamentsdokumentation Sächsischer Landtag




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