Zum Inhalt springen

Stolpersteine in Weißwasser

04. Juli 2021

Im Sommer 2020 formte sich eine kleine Gruppe aus Interessierten in Weißwasser, um gemeinsam das Gedenken an jüdisches Leben aufrecht zu erhalten. Knapp ein Jahr später, am 25.08.2021 werden an der Hauptstraße die ersten zwei Stolpersteine für eine Mutter und ihre Tochter gelegt, welche diskriminiert und schlussendlich deportiert und ermordet wurden.

Schon während der Gründung der Oberlausitzer Städte wurden Menschen jüdischen Glaubens in der Oberlausitz diskriminiert. Man geht davon aus, dass bereits im 13. Jahrhundert Menschen christlichen und jüdischen Glaubens als Geldverleiher gedrängt wurden Könige, Fürsten und Kaiser bei ihren Unkosten zu unterstützen. Die ersten Judenverfolgungen fanden in der Zeit der sieben Kreuzzüge statt, welche zwischen 1095 und 1270 bereits großes Leid über Menschen jüdischen Glaubens, den angeblichen Mördern von Jesus Christus. Es hieß, wer einen Juden tötete, erreiche die Vergebung aller Sünden. Um dem zu entkommen, begingen viele Juden Selbstmord. Eine Geschichte, die sich in den darauffolgenden Jahrhunderten wiederholte. (1)

Dr. Hermann Altmann war ein hoch angesehener Arzt, der sich in Weißwasser um Familien und Frauen, sowie um Arme kümmerte. Er konnte dem Terror der Nazis nicht anders entfliehen als sich das Leben zu nehmen. Als er 1903 nach Weißwasser zog, arbeitete er mit modernster Technik für die Gesundheit der Bürger*innen und an der Bekämpfung der Tuberkulose. Trotz seines enormen Engagements verlor er 1934 seine Zulassung als Kassenarzt, ab 1938 durfte er nicht mehr praktizieren. Auch ihn verschonten die Nazis während der Novemberpogrome 1938 nicht. Am 10.11.38 stürmten sieben Nationalsozialisten seine Wohnung, verwüsteten diese, schmissen und trugen Gegenstände aus dem Haus und beleidigten die Familie Altmann.

Der 10. November war auch ein Schreckenstag für weitere jüdische Weißwasser Bürger*innen.

Dem zu diesem Zeitpunkt schon ausgebürgerten Salo Hirschhorn wurde der gesamte Bettfedernladen ausgeraubt und zerstört. Überall auf der Straße lagen die Federn der Kissen und Bettdecken, sodass die Anwohner*innen meinten, es hätte geschneit.

Textilgeschäft der Familie Pese

Die zu diesem Zeitpunkt bereits in einer Dachgeschosswohnung wohnende Margarethe und Gerda Pese, wurden an diesem 10. November ebenfalls Opfer der Nazis. Nachdem die Familie ihr Textilgeschäft bereits durch die von Hitler angeordneten Enteignungen verloren, wohnten sie in einer kleinen Dachgeschosswohnung, um sich zu verstecken. Trotzdem fanden fünf NS-Anhänger ihre Wohnung, räumten diese aus und demolierten die Einrichtung. Der Hausherr des Verstecks solidarisierte sich mit den beiden jüdischen Frauen und wurde daraufhin gefangen genommen. Bis zu ihrer Ausweisung 1942 lebten Mutter und Tochter unter den immer schlimmer werdenden Anfeindungen der Bevölkerung. Wahrscheinlich wurden sie im Vernichtungslager Belzec ermordet.

Auch das Haus der jüdischen Familie Schweig wurde an diesem Tag durch den Terror der Nazis heimgesucht. Die Familie Schweig ist maßgeblich daran beteiligt, dass die Stadt Weißwasser als Glasstadt berühmt wurde. Joseph Schweig war nicht nur Industrievordenker und investierte in die Glashütten, sondern war auch als gerechter und liberaler Politiker bekannt. (2)

Für uns als Initiativgruppe ist es wichtiger denn je, auf diese Geschichten aufmerksam zu machen und das Erinnern an diese zu ermöglichen. Wir möchten zudem ein Zeichen setzen und den zunehmenden rechten Tendenzen, die auch in der Kommunalpolitik zunehmend normalisiert werden, etwas entgegenhalten/stellen. Unsere Arbeit dient den Menschen, denen es nicht möglich war und ist, ihre Stimme zu erheben.

“Nur wenn wir das Gedenken an diese damaligen Taten wachhalten und aus dem Gedenken aktives Handeln und Zivilcourage ableiten können wir zukünftigen Terror wie dem des NSU, in Halle oder Hanau verhindern.” https://www.youtube.com/watch?v=pPbA_iKEuzU

Durch dieses Handeln werden wir am 25.08.2021 die ersten zwei Stolpersteine für Margarete Pese und ihre Tochter Gerda durch den Künstler Gunter Demnig setzen lassen. Ihnen wurde durch die Nazis unendlich viel Leid zu Teil, dem wir nun gedenken und erinnern möchten.

Wir laden alle Interessierten und Gedenkenden ein, bei dieser Veranstaltung dabei zu sein und mit uns ein Zeichen für Erinnerung, Versöhnung und Weltoffenheit zu setzen.

Beginn der Verlegung ist ab 12:00 Uhr auf der Muskauer Str. 76 in Weißwasser.

Ab 18:00 Uhr laden wir zu Lesungen und Musik mit Getränken und kleinen Speisen im Garten der Kirchengemeinde Weißwasser ein.


Wir arbeiten ehrenamtlich und freuen uns über Spenden zur Verlegung von Stolpersteinen und für die Durchführung von Veranstaltungen

IBAN: DE07 3506 0190 1561 7600 19
BIC: GENODED1DKD
Kontoinhaber: Evangelische Kirchengemeinde Weißwasser

Zahlungsgrund: Projekt Stolpersteine für Weißwasser

Auf unserer Webseite stolpersteine-weisswasser.de könnt ihr mehr über uns als Initiative und die jüdischen Bürger*innen sowie den Autor Werner Schubert erfahren.

Quellen
(1)„Juden in der Oberlausitz“; 1998; Bautzen; Lusatia Historie
(2)„Beiträge zur Geschichte der Juden in Weißwasser“ Weißwasser; Schubert, Werner

mit freundlicher Genehmigung der Initiative Stolpersteine in Weißwasser